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AVIVA-BERLIN.de im Mai 2024 - Beitrag vom 17.04.2006


Erneut steuern wir auf einen großen Lebensmittelskandal zu
Agnes Winklarz

Vermutlich 100 Millionen mit Nikotin belastete Eier sind seit zweieinhalb Monaten in den Handel gelangt. Eine Diskussion über VerbraucherInnenschutz und artgerechte Tierhaltung ist entfacht.




"Nikotin ist hochgiftig und hat in Eiern rein gar nichts zu suchen", so der Standpunkt Bärbel Höhns.
Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zeigt sich besorgt - auch die Tierschutzorganisation Greenpeace und die VerbraucherInnen stellen die Qualität der Nahrungsmittel
immer kritischer in Frage:
Hormone im Kalbfleisch, Würmer im Fisch, BSE-verseuchtes Rindfleisch, Acrylamid in Pommes – Lebensmittelskandale haben in den vergangenen Monaten und Jahren Schlagzeilen gemacht, die Angst um die eigene Gesundheit geschürt.

Keine Gefahr für den VerbraucherInnen?

Von nikotinbelasteten Eiern geht, laut Dr. Dominik Meyer, dem Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums, keine Gefahr aus, wie er im Gespräch mit FOCUS Online bestätigte.
Dennoch ist es fraglich wie die Eier ungehindert in den Handel gelangen konnten.
Von insgesamt rund 100 Millionen Stück ist die Rede, die allesamt aus den Ställen und Legebatterien des größten deutschen Eier-Produzent, der Deutschen Frühstücksei GmbH, stammten.
Zwar habe das Institut für Verbraucherschutz in Oldenburg nur relativ geringe Nikotinwerte in den Eiern und an den Federn nachgewiesen, aber schon diese Menge widerspricht dem Lebensmittelrecht, weshalb die Staatsanwaltschaft Oldenburg nun wegen Verstoßes gegen das Lebens- und Futtermittelgesetz ermittelt.

Nikotin zur Schädlingsbekämpfung

Wie der Ministeriumssprecher behauptete ist in den Ställen das als Anti-Milben-Mittel eingesetzte Nikotin offenbar "unsachgemäß angewandt worden" und so in die Eier gelangt.
In Deutschland ist der Einsatz nikotinhaltiger Desinfektionsmittel verboten,
obwohl der hochgiftige Stoff früher oft als Pflanzenschutzmittel, zum Beispiel im Kampf gegen Blattläuse eingesetzt wurde, da er sowohl gut verträglich als auch biologisch gut abbaubar ist.
Für den ausbringenden Landwirt hingegen kann die Verwendung zum Verhängnis werden, wie der Fall Anton Pohlmann beweist.
Von ihm hatte die Deutsche Frühstücksei AG die Betriebe übernommen, nachdem er wegen des Einsatzes von Nikotin ein Tierhaltungsverbot auferlegt bekam, sein Imperium folglich aufgeben musste.

Sabotageakt beim Eierbaron?

Das betroffene Unternehmen streitet alle Vorwürfe ab.
Vielmehr geht die Firmenleitung, wie die Netzzeitung berichtet, von einem "Sabotageakt" aus, da sowohl die Deutsche Frühstücksei GmbH als auch das mit der Reinigung beauftragte Fremdunternehmen den illegalen Einsatz von Nikotin ablehnen.
Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hingegen hält einen Sabotageakt als Ursache für die Belastung von Eiern mit dem Gift für abwegig. «Wir haben nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür», sagte der Sprecher der Behörde, Bernard Südbeck.
Auch nach Ansicht des Tierschutzbundes wirkt die Verteidigung des verdächtigten Unternehmens unglaubwürdig, da gerade der Geschäftsführer der Deutschen Frühstücksei GmbH, Gert Stuke, sich in den vergangenen Monaten aus Sicherheitsgründen besonders engagiert für die Beibehaltung der Käfighaltung eingesetzt hat.
Wie viel wusste Landwirtschaftminister Ehlen?
Der Bundestagsfraktion der Grünen zufolge ist auch Landwirtschaftsminister Ehlen offensichtlich bemüht, das von Renate Künast 2001 durchgesetzte Käfighaltungsverbot rückgängig zu machen.
Bereits seit November 2005 lagen angeblich Berichte über Nikotinfunde vor.
Der Erlass zur Sperrung sämtlicher betroffener Betriebe folgte jedoch erst am 31.März.2006.
Das nährt den Verdacht, dass bewusst Informationen zurückgehalten wurden, damit die Käfighaltung von Hennen wieder eingeführt werden kann.
"Jetzt gilt es zu klären wohin die Eier geliefert wurden und welche Produkte eventuell belastet sind," so die Auffassung Bärbel Höhns, die von dem Minister fordert "alle Karten auf den Tisch zu legen" und den Behörden nicht mehr länger "einen Maulkorb zu verpassen".
Tierschutzorganisationen sind besorgt
Die Frage, die sich jetzt vor allem Tierschutzorganisationen stellen, ist die nach dem weiteren Schicksal der Hennen, die mit dem Nikotin in Kontakt gekommenen sind.
Sie befürchten eine millionenfache Tötung der Tiere. "Frühere Skandale haben immer wieder gezeigt, dass die industriell geprägte Tierhaltung zu Auswüchsen führt, die zu Lasten des Tier- und Verbraucherschutz gehen. Ob dies auch hier der Fall ist, muss eilig geklärt werden", erklärt Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.
Eine Kontrolle aller Käfighaltungsbetriebe wird gefordert, da 53,3 % der Legehennen in Deutschland in tierquälerischen Hallen mit mehr als 100.000 Tieren gehalten werden.

Weitere Informationen erhalten Sie unter:

  • Greenpeace – Studie: "Pestizide außer Kontrolle II": http://gruppen.greenpeace.de
  • Deutscher Tierschutzbund e.V: www.tierschutzbund.de
  • Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen: www.gruene-bundestag.de


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    Beitrag vom 17.04.2006

    AVIVA-Redaktion